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Gerichtsentscheidungen zum Miet- und Baurecht

BGH, 15.03.2022, VIII ZR 81/20, zum Widerspruch bei Kündigung wegen Härte

Nach § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Auf die Wirksamkeit der Kündigung hat die Geltendmachung von Härtegründen keinen Einfluss (vgl. etwa Senatsurteile vom 3. Februar 2021 – VIII ZR 68/19, NJW-RR 2021, 461 Rn. 22; vom 22. Mai 2019 – VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 15, 32; Schmidt-Futterer/Hartmann, Mietrecht, 15. Aufl., § 574 BGB Rn. 16 und § 574a BGB Rn. 24; MünchKommBGB/Häublein, 8. Aufl., § 574 Rn. 8), son- dern führt lediglich dazu, dass der Mieter bei Vorliegen einer nicht mehr zu rechtfertigenden Härte auf der Fortsetzung des Mietverhältnisses bestehen kann und der von dem Vermieter geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch aus diesem Grund abzuweisen ist (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2021 – VIII ZR 6/19, NJW-RR 2021, 1312 Rn. 37; Schmidt-Futterer/Hartmann, aaO, § 574a BGB Rn. 24). Die Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Teil des Streitstoffs birgt deshalb nicht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen und ist damit wirksam (vgl. hierzu grundlegend Senatsbeschluss vom 21. August 2018 – VIII ZR 186/17, NJW-RR 2019, 130 Rn. 17 mwN).

Schon in seinem Beschluss vom 30.11.2021 führte der BGH folgendes aus: “ Rechtsfehlerfrei und von der Revision auch nicht angegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Alter des Beklagten und die lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden langjährigen Verwurzelung für sich genommen noch nicht die Annahme einer Härte im Sinne des § 574 BGB rechtfertigen, sondern im Rahmen einer Gesamtwürdigung die sich daraus ergebenden Folgen im Falle eines erzwungenen Wohnungswechsels zu berücksichtigen sind.“ Und weiter: „Den Mieter trifft jedoch eine Obliegenheit, sich um angemessenen Ersatzwohnraum zu bemühen. Selbst bei einer – vom Berufungsgericht hier nicht – festgestellten und/oder in Verordnungen zugrunde gelegten angespannten Wohnungslage für das betroffene Gebiet stellte dies allenfalls ein gewisses Indiz für das Vorliegen eines Härtegrunds nach § 574 Abs. 2 BGB dar, das jedoch erst in Verbindung mit substantiiertem (unstreitigem oder nachgewiesenem) Parteivortrag des Mieters zu konkret ergriffenen Maßnahmen zum Auffinden von geeignetem und bezahlbarem Wohnraum zu der tatrichterlichen Überzeugung führen kann, dass angemessener Wohnraum zu zumutbaren Bedingungen für den Mieter (und seine Familien- oder Haushaltsangehörigen) nicht zu erlangen ist.“

BGH, 16.02.2022, XII 17/21, Mietzahlung Gewerberaum während der Pandemie

b) Die durch die COVID-19-Pandemiebedingte Schließung eines Einzelhandelsgeschäfts führt nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dem Vermieter wird dadurch die vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand auch nicht ganz oder teilweise un- möglich (im Anschluss an Senatsurteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21 – NZM 2022, 99, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
c) Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich ge- nutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (im Anschluss an Senatsurteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21 – NZM 2022, 99, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
d) Bei der Prüfung, ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, verbietet sich eine pauschale Betrachtungsweise. Maßgeblich sind vielmehr sämtliche Umstände des Einzelfalls. Daher sind auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat. (im Anschluss an Senatsurteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21 – NZM 2022, 99, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

BGH, 12.01.2022, VIII ZR 151/20, zur Abrechnung von Kosten für Heizung und Warmwasser

1. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV hat der Nutzer das Recht, so- weit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Verordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden, den auf ihn entfallenden Anteil um 15 % zu kürzen. Eine Abrechnung ist – wie der Senat bereits in anderem Zusammenhang entschieden hat – dann nicht verbrauchsabhängig im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV, wenn sie – auch nur teilweise – nicht den einschlägigen Bestimmungen der HeizkostenV ent- spricht, was der Verordnungsgeber durch die Formulierung ʺentgegen den Vor- schriften dieser Verordnungʺ zum Ausdruck gebracht hat (vgl. Senatsurteil vom 16. November 2005 – VIII ZR 373/04, NJW-RR 2006, 232 Rn. 21).
2. An diesem Maßstab gemessen hat die Beklagte über die Kosten für Wärme und Warmwasser in den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2016 und 2017 nicht verbrauchsabhängig abgerechnet und hat der Kläger daher das von ihm ausgeübte Kürzungsrecht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV.
a) Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV sind Heizkosten in Objekten mit zentralen Heizungsanlagen oder mit Wärmelieferung (§ 1 Abs. 1 HeizkostenV) im Interesse eines sparsamen Umgangs mit Energie grundsätzlich nach dem konkreten Verbrauch der einzelnen Nutzer zu verteilen. Die Einzelheiten der Verteilung sind in §§ 7 bis 9 HeizkostenV geregelt (vgl. auch Senatsurteile vom 16. November 2005 – VIII ZR 373/04, NJW-RR 2006, 232 Rn. 11; vom 27. Oktober 2021 – VIII ZR 264/19, juris Rn. 16). Um eine verbrauchsabhängige Kostenverteilung sicherzustellen, schreibt § 4 Abs. 1 HeizkostenV vor, dass der anteilige Verbrauch an Wärme und Warmwasser zu erfassen ist.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts verfügte das Wohngebäude, in dem sich die vormals von dem Kläger und seiner Ehefrau gemietete Wohnung befindet, im zu beurteilenden Zeitraum über eine zentrale verbundene Anlage zur Versorgung der Wohnungen mit Wärme und mit Warmwasser mittels gewerblicher Lieferung von Fernwärme. Für derartige Anlagen sieht – wie das Berufungsgericht noch zutreffend angenommen hat – § 9 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV vor, dass die einheitlich für Wärme und Warmwasser entstandenen Kosten des Betriebs aufzuteilen sind und zwar gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 HeizkostenV anhand der Anteile am Wärmeverbrauch. Zur Ermittlung der beiden Anteile am Wärmeverbrauch sieht § 9 Abs. 1 Satz 4 HeizkostenV vor, dass der Ver- brauch der zentralen Warmwasserversorgungsanlage von dem gesamten Ver- brauch der verbundenen Anlage abzuziehen ist. Zu diesem Zweck regelt § 9 Abs. 2 Satz 1 HeizkostenV, dass die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge ab dem 31. Dezember 2013 mit einem Wärmezähler zu messen ist.
Über einen entsprechenden Wärmezähler verfügte die mit der Wärmeversorgung verbundene zentrale Warmwasserversorgungsanlage in dem Mehrparteienhaus in den Jahren 2016 und 2017 nicht, weshalb – was von den Parteien auch nicht in Frage gestellt wird – der Beklagten eine den Anforderungen des § 9 Abs. 1 HeizkostenV genügende verbrauchsabhängige Abrechnung der Kosten für Wärme und Warmwasser in den Jahren 2016 und 2017 nicht möglich war.
b) Die Beklagte durfte eine Trennung der Kosten für Wärme und Warmwasser auch nicht nach der in § 9 Abs. 2 Satz 4 HeizkostenV aufgeführten Rechenformel vornehmen, weil die Voraussetzungen für eine Trennung der Kosten nach dieser Vorschrift ebenfalls nicht gegeben waren. Die genannte Bestimmung erlaubt in Ausnahmefällen eine rechnerische Ermittlung der auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallenden Wärmemenge in Abhängigkeit zu der durch die zentrale Anlage mit Warmwasser versorgten Fläche, wenn weder die Wärmemenge noch das Volumen des verbrauchten Wassers gemessen werden können. Der Beklagten war jedoch nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ausweislich der von ihr er- stellten Abrechnungen die Messung des Volumens des verbrauchten Wassers aufgrund der für die einzelnen Wohnungen installierten Warmwasserzähler möglich.